Dass nichts Ähnliches geschehe —
Kritische Theorie nach der Wiederholung
Das Paradigma von der Singularität von Auschwitz hat paradoxe Ideologien der Nichtintervention in genozidalen Krisensituationen hervorgebracht. Nicht mehr zur Beunruhigung dient die Rede von der Singularität, sondern zur Beruhigung. Was es für Kritische Theorie heute bedeutet, dass Auschwitz sich nicht als Kopie wiederholen kann, sich aber als »Ähnliches« mehrfach wiederholte, wird an einigen Ideologemen aufgezeigt, die in der vermeintlichen oder tatsächlichen Tradition Kritischer Theorie entstanden. Dazu zählt insbesondere die konventionelle marxistische Ableitung von Genoziden aus der Wertkritik oder aus ökonomischen Interessen. Genozidalität nötigt Gesellschaft ein reformistisches Praxisproblem auf: dass Gesellschaftskritik – als notorisch unorganisierte „Flaschenpost“ oder in Einzelwissenschaften wie »genocide studies« und »holocaust studies« neutralisierte – in den Jahrzehnten nach Auschwitz nicht einmal Genozide ähnlichen Ausmaßes vorab zu bestimmen und zu verhindern wusste.
Der Referent Dr. phil. Felix Riedel ist freischaffender Ethnologe, Autor und Blogger.
Der Vortrag findet am 08.02.2016 um 19 Uhr in der Denkbar statt. Die Adresse lautet: Spohrstraße 46A, Frankfurt am Main